SCHAU MAL INS MUSEUM
Pause mit Engeln: Ein Holzschnitt erzählt, wie es nach Weihnachten weitergegangen ist
Die Szene zeigt ebenfalls Maria, Josef und Jesus, aber Weihnachten ist vorbei. Im Matthäus-Evangelium können wir nachlesen, dass Josef im Traum von einem Engel dazu aufgefordert wird, mit Maria und dem Neugeborenen nach Ägypten zu fliehen. Was ist passiert? Etwas sehr Grausames! König Herodes soll – aus Angst vor dem neugeborenen König der Juden – befohlen haben, alle männlichen Kleinkinder zu töten.
Die „Flucht nach Ägypten“ taucht schon seit dem frühen Christentum in Kirchen und in der Buchmalerei auf. Meist sitzt Maria mit ihrem Kind auf dem Esel, der von Josef geführt wird. Die „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ – also eine Pause auf dem langen Weg nach Ägypten – wird erst im späten Mittelalter zum Bildthema. Immer mehr spielt in dieser Zeit auch die Darstellung der Landschaft eine Rolle. Und spätestens jetzt müssen wir den Künstler nennen, der sich die Szene für diesen Holzschnitt ausgedacht hat. Es handelt sich um Lucas Cranach den Älteren (1472–1553), der sowohl als Maler als auch als Graphiker zu den bedeutendsten deutschen Künstlern des 16. Jahrhunderts zählt. Er wurde in Kronach geboren. Sein Markenzeichen ist die geflügelte Schlange mit einem Ring im Maul. Wir finden sie zwischen den Buchstaben L und C und der Jahreszahl 1509 auf einem Buch in der rechten unteren Bildecke.
Die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin besitzt ein Gemälde Cranachs, auf welchem der Künstler die „Ruhe auf der Flucht“ schon im Jahr 1504 mit mehreren kleinen Engeln belebt. Fünf Jahre später kommt es auf seinem Holzschnitt zu einer wahren Vervielfachung der Engel – man kann sie kaum mehr zählen! Cranach verlegt die Flucht in eine Landschaft, in der sich die in den biblischen Legenden beschriebene Dattelpalme neben einer Eiche recht merkwürdig ausmacht. Wer sehr gute Augen hat, erkennt ein kleines „Bild im Bild“: Im Hintergrund zeigt Cranach mit winzigen Figuren die eigentliche Flucht. Auch versteckte Symbolik verbirgt sich in diesem Blatt: die Eiche, die Erdbeeren, der kleine Vogel, die Palmwedel und die Quelle stehen für die Verehrung Mariens und die Passionsgeschichte genauso wie für den Glauben an die Auferstehung im Paradies.
Die Veste Coburg hat eine besondere Beziehung zu Cranach. Denn als Hofkünstler der wettinischen Landesherren verbrachte Cranach auch ein halbes Jahr in Coburg. Vor kurzem erschien ein neuer und umfangreicher Bestandskatalog der Cranach-Graphik im Kupferstichkabinett der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Deshalb wird vom 17.Juni bis 12.September 2021 die Ausstellung „Bild und Image. Cranach im Dienste des Hofes“ auf der Veste gezeigt.
Cornelia Stegner M.A.
Dieser Beitrag erschien im Dezember 2020 unter der Rubrik “Schau mal ins Museum” im:
Lucas Cranach d. Ä., Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, 1509, Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg