SCHAU MAL INS MUSEUM

Das geheimnisvolle Relief – Eine Kunstbetrachtung mit Fragezeichen.

Heute geht es um ein ganz besonders rätselhaftes Objekt in den Kunstsammlungen. Es handelt sich um ein Relief, das erst vor wenigen Jahren für die Kunstsammlungen der Veste Coburg erworben wurde. Ihr findet es im Fürstenbau im „Salon des Herzogs“. Reliefs sind an der Vorderseite nicht flach, sondern in den Raum hinein ausgeformt. Dieses hier besteht aus farbigem Wachs, und zur Verzierung hat der Künstler Glas und Ölfarben verwendet. Aber was ist dargestellt?

Wir sehen drei Frauengestalten in einer sehr vornehmen Tracht, wie sie im 15. Jahrhundert am burgundischen Hof getragen wurde. Die reiche Hofkultur Burgunds setzte damals in weiten Teilen Europas Maßstäbe.

Die Frauen stehen dicht beieinander, die Mittlere trägt ein besonders prachtvolles Kleid. Ein kleiner Junge reicht ihr eine Blume für den Strauß, den sie in der Hand hält. In der rechten unteren Ecke ragt ein Hundekopf in den Bildausschnitt hinein. Die Frauen sind mit Namen bezeichnet, die aus der Sagenwelt der griechischen Antike stammen: Die mittlere Gestalt (1) ist Flora, die Göttin der Blüte und des Frühlings. In ihrer rechten Hand hielt sie wohl ursprünglich eine einzelne Blume, die nicht mehr erhalten ist. Links hinter ihr steht Circe (2), bekannt aus der Odyssee für ihre legendären Verführungskünste. Rechts hat sich Medea (3) dazugesellt, die ebenfalls zauberkundige Gemahlin des Helden Jason. Medeas dramatische Geschichte aus Liebe und List, Rache und Mord bietet seit jeher eine Fülle an Themen für Kunst, Theater und Literatur.

Die Darstellung entstand nicht im Mittelalter, sondern viel später, im 19. Jahrhundert. Der französische Künstler Henry Cros wollte farbige Skulpturen schaffen. In der Skulptur des späten Mittelalters und der Renaissance suchte er nach Vorbildern. Er experimentierte auch mit der Farbphotographie und entwickelte seit den 1880er Jahren eine spezielle Technik zur Herstellung farbiger Glaspaste (Pâte de Verre).

Der Titel des Bildes „Die drei Zauberinnen“, der wohl von der Nachwelt vergeben wurde, erklärt die Szene nur unzureichend. Denn genaugenommen ist Flora keine Zauberin, sondern eine Göttin. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Relief um eine Arbeit, die der Maler und Bildhauer im Jahr 1881 in Paris unter dem Titel „L’horoscope“ ausgestellt hat. Aber auch dieser Titel, im Deutschen „Das Horoskop“, lässt den Betrachter mit Fragen zurück. Und das Rätselhafte war durchaus auch gewollt. Denn Henri Cros zeigt sich hier als Vertreter des Zeitalters des Symbolismus im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Symbolisten versahen ihre Werke gerne mit tieferer, oft verborgener Bedeutung. Mittelalterliche und antike Stoffe boten ihnen unzählige Vorlagen und Geschichten.

Und so bleibt eine genaue Deutung der Darstellung bis heute ein Geheimnis. Vielleicht fordert das Relief uns heraus, eine eigene Deutung zu finden? Und wer weiß, vielleicht entstehen so ganz eigene, neue Geschichten.

Von Cornelia Stegner

Dieser Beitrag erschien im Oktober 2020 unter der Rubrik „Schau mal ins Museum“ im:

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Henry Cros (1840 – 1907), Die drei Zauberinnen, 1881, Relief, farbiges Wachs mit Einlagen aus farbigem Glas und Ergänzungen in Ölmalerei, 48 cm x 33 cm x 6 cm Inv.-Nr. Pl.194, Kunstsammlungen der Veste Coburg
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Flora

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Circe

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Medea

Henry Cros (1840 – 1907), Die drei Zauberinnen, 1881, Relief, farbiges Wachs mit Einlagen aus farbigem Glas und Ergänzungen in Ölmalerei, 48 cm x 33 cm x 6 cm

Inv.-Nr. Pl.194, Kunstsammlungen der Veste Coburg

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