#9 Zerbrechlicher Zauber

Ende März fand in Jena eine besondere Tagung des Veranstalters Innokultur statt, die sich dem „zerbrechlichen Zauber“ des Glases widmete. Themen wie Glas im Kulturgutschutz, in der Denkmalpflege, Forschung und Innovation im Dialog standen im Mittelpunkt. Die Restaurator:innen Katja Siebel und Heiner Grieb organisierten gemeinsam mit Constanze Roth die Tagung und Museumsdirektor der Kunstsammlungen Sven Hauschke eröffnete die Tagung mit einem interessanten Beitrag zur Studioglasbewegung im 20. und 21. Jahrhundert. Heiner Grieb gibt hier einen spannenden Einblick über seine Reise nach Jena.

Warum gab es eine Tagung in Jena zusammen mit den Kunstsammlungen?

Der Veranstalter Innokultur ist Teil der Forschungseinrichtung Innovent in Jena, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Forschung rund um das Thema Glas zu intensivieren und gleichzeitig den verschiedenen Bereichen, die mit Glas zu tun haben, die Möglichkeit zum gemeinsamen Austausch zu geben. Und so war diese Tagung auch angelegt: Vertreter:innen aus der High-Tec-Glasforschung trafen sich mit solchen aus der Baudenkmalpflege und der angewandten Glaskunst. Die Kunstsammlungen waren auf dieser Tagung für den Bereich Glaskunst zuständig.

Was bedeutet das konkret?

Mit den beiden Mitorganisatorinnen Constanze Roth und Katja Siebel haben wir so ähnlich wie „Headhunter“ Kolleg:innen gesucht, die an spannenden Themen rund um das Thema Glas arbeiten und bereit waren, das Thema zu präsentieren: aktuelle Forschungsansätze, besondere Restaurierungsproblematiken, interessante historische Glastechniken und vieles mehr waren die Themen.

Direktor Hauschke hat den Eröffnungsvortrag gehalten zur Entwicklung der modernen Glaskunst von der Studioglasbewegung der 1960er Jahre, die sich deutlich vom Glas als Gebrauchsmaterial absetzte bis hin zur aktuellen Kunst, beispielsweise Arbeiten aus Pâte de verre, gesintertem Glas, das sandig, rau, offenporig ist und so gar nicht mehr der klassischen Vorstellung von Glas entspricht. Den zweiten Eröffnungsvortrag hat Timo Mappes, der Direktor des Deutschen Optischen Museums gehalten. Damit wurde das Thema Glas gleich in seiner ganzen Bandbreite erfasst. Von der technischen Anwendung in Mikroskopen, Fernrohren oder auch Brillen (die Brille, mit der Kaiser Franz Joseph I seine Sisi betrachtet hat, war eindrücklich) bis hin zur Verwendung in der modernen Glaskunst mit vielfältigsten unterschiedlichen Verarbeitungs- und Erscheinungsformen.

Hat die Verbindung der einzelnen Bereiche geklappt?

Mehr als gedacht. Um ehrlich zu sein, hatte ich im Vorfeld die Befürchtung, dass die drei Bereiche nicht leicht zu verbinden sind und dass beispielsweise der Glastechniker gelangweilt einem Vortrag lauscht, wo es um die Probleme bei der musealen Präsentation filigraner Pâte de verre-Objekte geht und „wir aus der Kunst“ umgekehrt einem hochtechnischen Vortrag der Glasforscher nicht folgen können. Dem war aber nicht so. Alle Vorträge waren spannend und ich wage zu behaupten, dass jeder im Auditorium bei jedem Vortrag einen Impuls für seinen spezifischen Arbeitsbereich bekommen hat. So soll es sein.

Und das Fazit?

Eine kleine, kompakte, informative Veranstaltung in tollem Ambiente. Ich bin mir sicher, dass jeder der über 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer viele Anregungen mitnehmen konnte. Ich freue mich, dass wir aus den Kunstsammlungen bei der Planung mitwirken konnten und bedanke mich gleichzeitig bei allen vor Ort, vor und hinter den Kulissen, die zum gelungenen Ablauf beigetragen haben. Gerne wieder!

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Gab es ein Rahmenprogramm?

Der Tagungsabend war gleichzeitig ein Jubiläum: 10 Jahre Forum Innokultur. Das wurde im Vintage-Ambiente einer alten Trafostation mit einem Festabend gefeiert, mit Podiumsdiskussion, Glasbläservorführung, Geburtstagstorte und leckerem Catering, überstrahlt von einer sich drehenden Diskokugel (merke: Spiegelglas!).

Am nächsten Tag standen Führungen auf dem Programm: Ich war im Zwischendepot des Deutschen Optischen Museums und konnte Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu unserem Museum entdecken und diskutieren: Welches Inventarisierungsprogramm wird verwendet? Ist eine Ablage in der Cloud oder auf lokalen Servern sinnvoll? Wie werden die Objekte dokumentiert (als Digitalfoto, 3D-Scan, klassische Beschreibung in Textform,…?) Wie wird mit Risikoobjekten umgegangen (z.B. Brillen aus einem frühen Kunststoff, der sich zersetzt und Säuren freigibt, die umliegende Kunstwerke angreifen). Provenienzforscher Sören Groß berichtete zudem über die Schwierigkeiten beim Umgang mit Museumsobjekten, bei denen in kriminalistischer Feinarbeit der Erwerb rekonstruiert werden muss: stammt das Objekt etwa aus einer illegalen Quelle? Womöglich „Raubkunst“ des NS-Regimes?

Weniger schwergewichtig führte er aber abschließend Guckkastenbilder vor, die lange vor dem Fernseher den Menschen ferne Welten nahebringen konnten: Die Bilder sind so präpariert, dass das Motiv je nach Beleuchtung des Guckkastens als Tages- oder Nachtszene erscheint. Mit Aha-Effekt!

April 2025 | Dipl. Rest. Heiner Grieb, Johanna Rosenzweig M.A.

Bildnachweise: Dipl. Rest. Heiner Grieb