#7 Hintergründe zur Ausstellung Prima Klima – Das Museum wird umweltfreundlicher

Salz in der Vitrine? Was erst einmal ungewöhnlich klingen mag, hat durchaus Vorteile.

Wie Salze klimafreundlich Schadstoffe in Vitrinen binden und für konstante Luftfeuchtigkeit sorgen, untersuchen Dipl. Restaurator Heiner Grieb und Katja Siebel, Restauratorin M.A.

In der aktuellen Ausstellung im STUDIO stellen sie ihr Projekt vor, das zusammen mit der Universität des Saarlands, der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und über 60 Museen im In- und Ausland auf seine Museumstauglichkeit getestet wurde. Alle Hintergründe zu dem Projekt und wie die Ausstellung aufgebaut ist, erfahren Sie hier.

Wie kam es zu der Idee für diese Ausstellung?

(Heiner Grieb) Seit zwei Jahren läuft das Forschungsprojekt, das nun mit dieser Ausstellung vorgestellt wird. Das Jahresende ist gleichzeitig auch das Projektende, und wir werden die Ergebnisse der teilnehmenden Institutionen auswerten, aber jetzt schon können wir ein positives Fazit ziehen. Das wollen wir in der Ausstellung vermitteln. Wir haben zusammen mit der Universität des Saarlandes untersucht, wie gut gesättigte Salzlösungen zum Klimatisieren von Museumsvitrinen geeignet sind und gleichzeitig wollten wir ihr Potential zum Absorbieren von schädlichen Gasen testen. Während die Absorption der Schadgase in den Labors der Universität getestet wurden, war Coburg für den praktischen Teil verantwortlich, im Sinne eines „Feldversuchs“. Als in der Museums-Jahresplanung die Idee aufkam, die Restaurierung zum Thema einer Ausstellung zu machen, war es klar, dass dieses spannende Projekt vorgestellt werden sollte. Ein glücklicher Zufall, eigentlich war die Ausstellung im Projektantrag gar nicht vorgesehen.

(Katja Siebel) In der Regel arbeiten wir Restaurator:innen immer eher versteckt – „Hinter den Kulissen“ sozusagen – doch ein Museum besteht aus so viel mehr, als nur Exponaten an Wänden und in Vitrinen. Dass also ein nicht-klassisches Ausstellungsthema, hier die “Arbeit Hinter den Kulissen” auch mal in den Fokus einer musealen Ausstellung gerät, ist also eher ungewöhnlich, nimmt aber in den letzten Jahren immer mehr zu. Insbesondere wenn ein Forschungsprojekt wie dieses, wo es um die Erprobung von „neuen“, nachhaltigen und Ressourcen-schonenden Maßnahmen zur Klimatisierung von Exponaten und um die Absorption von Schadstoffen aus der Vitrinenluft geht, direkt am und im Museum stattfindet, ist es auch wert, dass einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und diese vielleicht auch für die Komplexität eines Museums zu sensibilisieren.

Die Restauratoren Katja Siebel und Heiner Grieb

Was genau ist eigentlich das „Coburger Modell“?

(HG) Mit dem „Coburger Modell“ wird ein spezielles Verfahren zum Klimatisieren von Vitrinen bezeichnet. Diese Methode wurde in den 1990er Jahren in einem Forschungsprojekt mit der Universität Erlangen entwickelt. Weil sie selten angewendet wird und nur in Coburg in so großem Umfang und kontinuierlich betrieben wird, hat sie in der Fachwelt diesen Namen bekommen.

Damals wurde erkannt, dass für die Coburger Glassammlung eine Klimatisierung notwendig ist, um den Fortschritt der Glaskorrosion zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Man wählte eine ungewöhnliche Methode: das Klimatisieren mit einer gesättigten Salzlösung in Kombination mit Silikagel, damals auch als „sanfte Klimatisierung“ bezeichnet, weil sie ohne teure Klimageräte auskommt.

Das System funktioniert bei uns seit über 30 Jahren mit gutem Erfolg, und wird auch im Museum für modernes Glas verwendet. Das Coburger Modell gab letztendlich die Inspiration zum Forschungsprojekt.

 

Welche Überlegungen gab es bei der Planung der Ausstellung, welche Objekte habt ihr ausgewählt und weshalb?

(HG) Die wenigsten unserer Besucher:inenn erwarten, dass sie beim Museumsbesuch mit chemischen Formeln und Wortungetümen wie der „Deliqueszenzfeuchte“ zu tun haben werden. Sie erwarten eher Rüstungen, Cranachgemälde und historische Prunkgläser. Es ist für sie sicherlich spannend zu sehen, wie diese ganzen chemischen und physikalischen Dinge doch mit der Kunst zusammenhängen. Wir haben versucht, dieses teilweise schon recht theoretische Thema spannend aufzubereiten, damit das Publikum nicht abgeschreckt, sondern unterhalten und informiert wird. Gleichzeitig wollten wir Anknüpfungspunkte an den Alltag finden: Mit Kaliumkarbonat fangen wenige etwas an, aber wenn man weiß, dass Pottasche gemeint ist, denken viele an die Weihnachtsbäckerei. Und schon ist die Angst vor der Chemie weg und das Interesse da: Aha, damit lässt sich klimatisieren? Und Schadstoffe kann das Salz auch noch einfangen? Ist ja ein Ding!

Wir haben die Ausstellung mit Kunstwerken illustriert, die bestimmte typische Schäden vorstellen können. Ich habe seit Jahren so einen kleinen Pool an Kunstwerken, die besonders plakativ sind, sei es, um eine bestimmte Herstellungsart zu demonstrieren oder um ein typisches Schadensbild zu zeigen. In diesen Vorrat haben wir für die Ausstellung tief gegriffen.

 (KS) Ich glaube, das schwierigste ist es, ein doch recht naturwissenschaftliches und sehr spezielles Thema visuell so aufzubereiten, dass es für möglichst viele Menschen verständlich ist – ich denke, dass wir viel wissen, aber das Vermitteln des Wissens nicht der Kern unserer Arbeit ist. Da müssen wir auch mal unsere Ansprüche, alles naturwissenschaftlich korrekt und detailreich wiederzugeben, runterschrauben und den Fokus eher auf das „Erklären am Objekt“ lenken.  Damit meine ich, dass wir das, was wir täglich vor Augen – also die Schäden an Objekten, deren Ursachen und Methoden zur Prävention – so verständlich wie möglich erklären müssen – und zwar nicht für Fachleute, sondern für eine breite Öffentlichkeit, die viele Begriffe, chemische und Physikalische Prozesse und Formeln etc. nicht kennt. Aber Heiner kennt die Sammlung so gut, dass er quasi für jedes Problem, ein passendes und anschauliches Objekt parat hat. Bei dem Visualisieren hatten wir dann viel Unterstützung von einem Graphiker, dessen Spezialisierung es ist, komplexe Themen visuell und schriftlich verständlich zu machen.

Gab es im Zuge des Projekts irgendwelche Überraschungen, mit denen ihr nicht gerechnet habt?

(HG) Mich hat an dem Projekt wirklich überrascht, wie interessiert die Kolleg:innen sind. Viele haben sich gefreut, dass endlich mal praxisorientierte Forschung gemacht wird, die auch im Museum anwendbar ist. Diese tolle Resonanz merkt man auch in der Bereitschaft, im „Feldversuch“ mitzumachen – über 60 Kooperationspartner waren dazu bereit. An dieser Stelle großer Dank dafür! Überraschend fand ich auch, dass die Salze nicht immer so reagieren, wie es die Physik vorschreibt. Teilweise hat Katja Siebel Ursachen finden können, manchmal aber auch nicht. Es gibt also noch jede Menge Dinge zu entdecken. Und da wundert es einen nicht, dass ein Kollege in den USA inzwischen seit 30 Jahren sich mit dem Thema beschäftigt.

(KS) Es ist eigentlich keine Überraschung, dass, wenn man „die Büchse der Pandora“ öffnet eine Reihe an „neuen Problemen“ folgt. Ich würde es aber nicht als Probleme bezeichnen, sondern eher als neue Fragestellungen und Ansätze, die für dieses Projekt bzw. diese Methode relevant sind. Wie gut können bestimmte Salze ein Klima in der Vitrine aufrecht halten? Wie oft muss das Salz gewechselt werden, wenn es Schadstoffe aufnimmt? Wie sehen wir, wann nicht mehr genügend Wasser oder Salz vorhanden ist? Wie können wir die Salzlösung modifizieren, das sie nicht mehr überschwappt (gerade in Erdbebengebieten oder bei Bewegen von Vitrinen).

Ich bin gespannt, wenn wir nun in den kommenden Monaten die Daten unserer Kolleg:innen auswerten. Ich denke, das gibt nochmal ein realistisches Bild davon, ob die Methode im musealen Alltag wirkliche Vorteile bringt oder doch wieder auf andere und bekanntere Methoden zurückgegriffen wird. In Coburg hat es meiner Einschätzung nach sehr gut funktioniert, wobei aber sicherlich auch das recht stabile Klima in den Ausstellungsräumen geholfen hat.