Cranach in Coburg – Der Bestandskatalog der Cranach-Graphiken im Kupferstichkabinett der Veste ist erschienen

Die Kunstsammlungen der Veste Coburg legen die erste vollständige wissenschaftliche Bearbeitung des umfangreichen Bestandes an Cranach-Graphiken im Coburger Kupferstichkabinett vor. Ermöglicht wurde das über mehrere Jahre laufende Forschungsprojekt und die von Stefanie Knöll, Meike Leyde und Michael Overdick herausgegebene Publikation durch die großzügige Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung.  

Lucas Cranach d. Ä. gehört sowohl als Maler als auch als Graphiker zu den bedeutendsten deutschen Künstlern des 16. Jahrhunderts. Die Kunstsammlungen der Veste Coburg präsentieren nun den frisch gedruckten Bestandskatalog der Cranach-Graphiken im Kupferstichkabinett. 2018 hatte Dr. Klaus Weschenfelder, der ehemalige Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg, den Bestandskatalog der Gemälde Cranachs veröffentlicht. Der Titel „Cranach in Coburg“ verbindet beide Bände. Er ist nicht nur ein stolzer Verweis auf den beeindruckenden Umfang der Coburger Cranach-Sammlung, sondern spielt ebenso darauf an, dass sich Lucas Cranach d. Ä. von August/September 1506 bis Februar 1507 als Gefolgsmann Kurfürst Friedrichs des Weisen persönlich in Coburg aufhielt. In dieser Zeit schuf Cranach vor allem dekorative Malereien mit jagdlichen Motiven für die fürstlichen Repräsentationsräume auf der Veste. Von ihnen hat sich leider nichts erhalten. Dafür aber lassen sich einige von Cranachs Holzschnitten mit der Coburger Zeit verbinden. Auf zweien dieser Holzschnitte – dem Martyrium des heiligen Erasmus und dem Sächsischen Prinzen zu Pferd – finden sich Ansichten der Veste sogar als Hintergrundmotiv.

Der Großteil von Cranachs Holzschnitten und Kupferstichen entstand in der Zeit unmittelbar nach der Ernennung zum kursächsischen Hofkünstler im Jahre 1505. Bemerkenswert erscheint die Vielfalt der Motive. Cranach schuf figurenreiche Turnier- und Jagdszenen. Er griff Motive aus der antiken Mythologie auf, wobei er sich an italienischen Vorbildern orientierte. Und er schuf religiöse Darstellungen, die die ganze Bandbreite der Frömmigkeitspraxis am Vorabend der Reformation widerspiegeln. Als sich Cranachs Schaffen ab 1515 zunehmend auf die Gemäldeproduktion verlagerte, beschränkten sich die druckgraphischen Arbeiten fortan vor allem auf Buchillustrationen und Porträts. Zu letzteren gehören unter anderem die wirkmächtigen Kupferstichbildnisse des jungen Martin Luther von 1520 und 1521.

Gegen Ende der 1530er Jahre trat auch Lucas Cranachs gleichnamiger Sohn (1515–1586) erstmals als Druckgraphiker in Erscheinung. Cranach d. J. knüpfte an die Kunst des Vaters an, lässt aber mit seiner feinen, mitunter etwas spröden Linienführung eine durchaus eigene Handschrift erkennen. Nach dem Tode Luthers 1546 prägte er den Typus des ganzfigurigen Reformatorenbildnisses.

Für den neuen Katalog wurde der Bestand der Cranach-Graphik im Kupferstichkabinett der Kunstsammlungen der Veste Coburg erstmals vollständig und umfassend wissenschaftlich bearbeitet. Neben den Werken, die eindeutig dem Vater und dem Sohn zugeschrieben sind, werden ebenso Werkstattarbeiten und einige bemerkenswerte Werke aus dem Umfeld Cranachs behandelt. Zu den Schätzen der Kunstsammlungen gehört das Turnierbuch Johann Friedrichs des Großmütigen – ein bedeutendes Zeugnis der Zeichenkunst aus der Cranachwerkstatt. Abgerundet wird der Katalog durch Beiträge zur ursprünglichen Funktion der druckgraphischen Blätter, zum Bestand illustrierter Bücher in der Coburger Landesbibliothek, zu den Wasserzeichen und zur Cranachrezeption im 18. und 19. Jahrhundert.

Für die Konzeption und Leitung des über mehrere Jahre laufenden Projekts war die Leiterin des Kupferstichkabinetts PD Dr. Stefanie Knöll verantwortlich. Die beiden wissenschaftlichen Bearbeiter, Dr. Meike Leyde und Dr. Michael Overdick, haben das Herzstück der Publikation geschaffen: den umfangreichen Katalog, der allein 350 Seiten des Buches einnimmt. Sie haben die Blätter untersucht, Befunde ausgewertet, recherchiert und analysiert. Ihre Ergebnisse sind in dem aktuellen, im Regensburger Verlag Schnell & Steiner erschienenen Band in gut verständlichen Texten nachlesbar. Sie bieten präzise Informationen für den Wissenschaftler, aber auch für jeden Kunstinteressierten eine Fülle von lesenswerten Geschichten.

Der Restaurator Wolfgang Schwahn hat die Blätter auf Schäden und Zeichen einer früheren Restaurierung hin untersucht. Aus Stuttgart kamen Prof. Dr. Irene Brückle und Leonie Müller, um die Wasserzeichen aufzunehmen und zu analysieren. Diese Wasserzeichen mit unterschiedlichen Motiven entstehen im Prozess der Papierherstellung durch die Anlagerung von Cellulosefasern rings um eine auf das Schöpfsieb aufgelötete Drahtform. Sie können dabei helfen, das Papier zu datieren.

Ohne die großzügige Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung, die insbesondere die für die Museumsarbeit so wichtigen Bestandskataloge fördert, wäre das Projekt nicht möglich gewesen.  „Bei bislang fast 250 durch die Ernst von Siemens Kunststiftung geförderten Bestandskatalogen fügt sich der Band zur Coburger Cranach-Graphik hervorragend in dieses Fördersegment ein. Dass die umfangreiche Publikation einen wichtigen Beitrag für die weitere Cranach-Forschung leisten wird, steht außer Frage“, freut sich Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Die gründliche Bearbeitung des Bestandes ist Anlass für die Ausstellung „Bild und Image. Cranach im Dienste des Hofes“, die im Sommer 2021 auf der Veste zu sehen sein wird.

(PD Dr. Stefanie Knöll)

Buchcover der neuen Publikation. Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg

Stefanie Knöll, Meike Leyde, Michael Overdick (Hg.): Cranach in Coburg. Graphik von Lucas Cranach d. Ä., Lucas Cranach d. J. und der Werkstatt im Kupferstichkabinett der Kunstsammlungen der Veste Coburg, Regensburg: Schnell und Steiner, 2020. 464 Seiten, 220 farbige Abbildungen, Hardcover, 45.- Euro, im Museumsshop der Veste Coburg für 35.- Euro.

Vor den Originalen im Studiensaal des Kupferstichkabinetts. Von links nach rechts: Dr. Meike Leyde, Dr. Michael Overdick, PD Dr. Stefanie Knöll. Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg

Vor den Originalen im Studiensaal des Kupferstichkabinetts. Von links nach rechts: Dr. Meike Leyde, Dr. Michael Overdick, PD Dr. Stefanie Knöll. Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg